Selbstbestimmung und Gewalt, Trauer und Neuanfang, Wiederaufbau und Emigration – die Ausstellung im Leibniz-Institut für jüdische Geschichte und Kultur – Simon Dubnow in Leipzig zeigt die Ambivalenzen jüdischen Lebens im Nachkriegspolen in Bildern. Dabei fragt sie nach der Entstehung, den Leerstellen, der Wirkung und Überlieferung von Fotografien.
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Die Ausstellung im Leibniz-Institut für jüdische Geschichte und Kultur – Simon Dubnow stellt Fotografien jüdischen Lebens in Polen unmittelbar nach dem Holocaust in den Mittelpunkt. Sie entstand gemeinsam mit dem Jüdischen Historischen Institut Emanuel Ringelblum in Warschau, das eine der bedeutendsten Sammlungen zur polnisch-jüdischen Geschichte bewahrt. Ein einzigartiger Bildbestand insbesondere von Fotoalben gibt Einblick in die Ambivalenz der ersten Nachkriegsjahre. 
Die Besichtigung der Ausstellung ist im Rahmen von öffentlichen sowie gebuchten Führungen möglich. Fotografien sind keine neutrale Dokumentation der Wirklichkeit. Deswegen fragt die Ausstellung in den Räumlichkeiten des Leipziger Forschungsinstituts, welches Interesse Auftraggeber:innen bei der Themenwahl hatten und wie Fotograf:innen mit Motiv und Bildausschnitt den Blick der Betrachtenden lenken.
 
Was wurde für welche Zwecke fotografiert, was unmittelbar in Szene gesetzt, was ist heute nur mit Hintergrundwissen erkennbar? 
Was bleibt unsichtbar? 
Und wie prägen die damals entstandenen Fotografien bis heute das Bild jüdischen Lebens im Nachkriegspolen? 
Jüdisches Leben in Polen unmittelbar nach dem Holocaust war voller Ambivalenzen und widersprüchlicher Erfahrungen: zwischen Selbstbestimmung und Gewalt, Trauer und Neuanfang, Wiederaufbau und Emigration. In Niederschlesien, auf ehemals deutschem Gebiet, erlebte jüdisches Leben für einige Jahre eine kurze Blüte. Zeitgleich fanden überall in Polen immer wieder Übergriffe auf Jüdinnen und Juden statt, der größte Gewaltausbruch war das Pogrom von Kielce im Sommer 1946. Diese Eskalation war einer der wesentlichen Gründe für die Emigration eines großen Teils der Holocaustüberlebenden bis Ende des Jahrzehnts. Die Ausstellung entstand im Rahmen einer Förderung durch die Alfred Landecker Foundation in enger Kooperation zwischen dem Dubnow-Institut in Leipzig und dem Jüdischen Historischen Institut in Warschau. Sie wird bis Dezember 2025 in Leipzig zu sehen sein.